Gemeinwohl. Nachhaltigkeit. GrünePolitik. Zukunft der Arbeit.

Von Wachstum hin zu Entwicklung

Eine interessante Runde hat sich am 22. November zum Kolloquium eingefunden.

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Christian Felber hat in seinem Impulsvortrag sehr anschaulich die heutige Art und Weise der Wirtschaft mit den ursprünglichen Ideen verglichen.

Die Podiumsteilnehmer diskutierten lebhaft und aus den unterschiedlichsten Perspektiven.

Wussten Sie, dass in vielen Verfassungen weltweit folgendes festgeschrieben ist:

 

  • Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl.“
    (Bayrische Verfassung, Art. 151)
  • „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen.“
    (Deutsches Grundgesetz, Art. 14)
  • „Das Gesetz bestimmt die Wirtschaftspläne, damit die öffentliche und private Wirtschaftstätigkeit nach dem Allgemeinwohl ausgerichtet werden können.“
    (Verfassung Italiens, Art. 41)
  • „Der gesamte Reichtum des Landes in seinen verschiedenen Formen und unbeschadet seiner Trägerschaft ist dem allgemeinen Interesse untergeordnet.“
    (Verfassung Spaniens, Art. 128)
  • „Die wirtschaftliche Aktivität und die Privatinitiative sind frei, innerhalb der Grenzen des Gemeinwohls.“
    (Verfassung Kolumbiens, Art. 333)

Der unendliche Wachstumsdruck (wozu eigentlich) lässt uns immer mehr produzieren und verbrauchen. Das geht zu Lasten der Umwelt und der Gesellschaft. Exponentielles Wachstum gibt es in der Natur nicht – wenn dann als Krebs. Und der ist meist tödlich.

Die Industrialisierung des 20. Jhrds. hat einen unglaublichen Wandel bewirkt: Nie zuvor wurde in so kurzer Zeit, trotz zweier Weltkriege, so viel Wohlstand für so viele Menschen geschaffen. Die Massenproduktion und die damit einhergehende Standardisierung ermöglichte Arbeit für viele Menschen.

Wirtschaft dient dem Gemeinwohl – wo können wir das im realen Leben noch erkennen? Es gelten ausschließliche betriebswirtschaftliche Kennzahlen, doch was sagen diese aus? Dass das Kapital wächst. Und wem nützt das?

Wir haben Mittel und Zweck verwechselt. Das Kapital wurde zum Zweck des Wirtschaftens, zum einzigen Ziel. Dabei soll es doch eigentlich ein Mittel sein, ein neutrales Zahlungsmittel für Produkte und menschliche Leistungen.

Und hier setzt die Gemeinwohl-Bilanz an: Sie misst ein Unternehmen an den Indikatoren, die für gelingende Beziehungen stehen und die dem Gemeinwohl dienen:

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Wenn wir diese Indikatoren in den Mittelpunkt des Wirtschaftens stellen, kommen wir weg vom Wachstumsgedanke hin zu Entwicklung. Das heißt nicht, dass wir die Finanzbilanz vergessen sollen! Ohne Finanzen gibt es keine Wirtschaft – aber die Finanzen sind das Ergebnis.

Wir haben heute keinen „Brothunger“ mehr, dafür einen großen „Sinnhunger“.

Christian Felber erzählt von einem Ingenieur, der mit Mitte 50 gekündigt hat. Seine Begründung: Seit 15 Jahren arbeite er am Produkt „Fensterheber“. Seit 15 Jahren verbessere er ein bestehendes und doch eigentlich perfektes Produkt nur um der Verbesserung Willen. Das mache keinen Sinn mehr.

Viele Industrieunternehmen befinden sich in der größten Transformation ihrer Unternehmensgeschichte, nicht nur was die Produkte angeht. Die Mitarbeiter sind aufgefordert, agil zusammen zu arbeiten und innovativ neue Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Viele Menschen würden sich und ihre Ideen gerne mehr einbringen, fühlen sich aber im Konzern-Korsett gefangen. Die Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz macht Ursachen auch dafür transparent.

Wir können nicht mit Methoden und der Haltung des letzten Jahrhunderts den Herausforderungen der Zukunft begegnen. Starre, tote Standards sind schädlich und müssen erneuert werden, doch wer trägt die Lasten des Strukturwandels?

Wenn wir mit den alten Methoden und Denkweisen weitermachen, ist dann eine Entwicklung hin zu einem zukunftsfähigen Unternehmen überhaupt möglich?

Die GWÖ ist ein Beteiligungsprozess, sie funktioniert dann, wenn Sie standardisiert in den täglichen Wirtschaftsprozess integriert ist.

Warum sich nicht daran messen lassen und eine Gemeinwohl-Bilanz erstellen? Jeder kann das für sich mal ausprobieren. Hier finden Sie einen „Schnelltest für Privatpersonen“ https://www.gwoe-steiermark.at/sites/angebot.php?id=17

Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare.

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Unsere Welt verändert sich grundlegend – das hat vielfältige Auswirkungen. Der Wohnraum wird knapper und die Kosten höher. Die Bedürfnisse ändern sich: Individualität und Unabhängigkeit werden wichtiger, und auch der Wunsch nach Gemeinschaft. Es entwickeln sich unterschiedlichste Lebenskonzepte für Familien mit Kindern, Paare, Singles in allen Alters- und Einkommensgruppen. Menschen die alleine leben wollen und können, aber auch Menschen die gerne in Gemeinschaft leben. Menschen mit gutem und mit weniger gutem oder gar keinem Einkommen. Vielen Menschen ist es wichtig, auch beim Wohnen auf die Umwelt Rücksicht zu nehmen, sie sind offen für schadstofffreie, energiesparsame und ressourcenschonende Entwürfe. Und davon gibt es momentan viele! Drei davon möchten wir Ihnen heute zur Diskussion stellen:

ownhome, ein eigenes Wohnhaus zum Selberbauen. Es handelt sich um vorgefertigte Bausätze, die ohne Fachkenntnis zusammengesteckt werden können mit eigener Stromversorgung, eigener Wasserversorgung und geschlossenen Kreisläufen. Die Zielgruppe sind Menschen, die aufgrund der Ungerechtigkeiten in unserer Welt ihre Heimat verlassen mussten oder ihr Obdach verloren haben oder auch Menschen, die „einfach“ leben möchten.

ownhome

Gemeinschaftliches Wohnen am Beispiel Schloss Tempelhof. Im Mittelpunkt stehen Gemeinschaft, Beziehungs- und Kommunikationskultur, Nachhaltigkeit, Selbstversorgung, Solidarität und Unabhängigkeit – und dies ohne religiöse oder ideologische Motivation! Vieles könnte man in den heutigen anonymen Wohneinheiten schon aktivieren, wenn Menschen aufeinander zugehen.

Tempelhof

 

In Wien entsteht ein ganz anderes Zukunftskonzept: Der grüne Markt. Er ist Part eines preisgekrönten Architekturprojektes das Wohnen, Arbeiten und Produzieren in Mutation beinhaltet. Die Initiatoren wollen neue Wohn- und Lebensformen erproben. Das Haus soll eine lebendige Einheit bilden, in der unterschiedliche Lebenskonzepte und der (räumlich) fließende Übergang von öffentlich, gemeinschaftlich und privat möglich sind. Die Kommunikation und Vernetzung der Bewohner*innen und aller anderen (gewerblichen) Nutzer*innen ist ein besonderes Anliegen. Nachhaltigkeit, Toleranz, Kreativität und Offenheit für Neues sind unsere verbindenden Werte. Wohnen, Arbeiten und Produzieren sind im Grünen Markt unter einem Dach vereint.

GrünerMarktWien

Wir sind der Meinung, dass auch hier in Gerlingen der eine oder andere Ansatz seine Berücksichtigung finden könnte. Es hängt viel davon ab, wie Sie, die Bürgerschaft sich einbringen und Ihre Wünsche auch einfordern. Bürgerbeteiligung lebt vom Engagement, vom Austausch der Meinungen und vom Abwägen der Möglichkeiten. Nicht persönlich interessengeleitet, sondern ein Prozess der guten Argumente aus Sicht aller Betroffenen und Beteiligten. Unser Antrag auf Erstellung einer Leitlinie zur Bürgerbeteiligung ist auf dem Weg – unterstützen Sie uns!

18.06.2017 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Gemeinderat Gerlingen

Das Buch von Jaron Lanier „Wem gehört die Zukunft“[i] liegt schon lange auf meinem „NochmalLesenStapel“. Wer Digitalisierung verstehen will, findet hier verständliche und umfassende Informationen. Und nicht nur das, sondern auch die Auswirkungen sind klar und deutlich beschrieben. Ernüchternd. Die Wirtschaft verdient mal wieder viel Geld mit kostenlosen Ressourcen. Diesmal mit unseren Daten. Und sie beeinflusst Politik und Gesellschaft durch Manipulationen und Algorhythmen. Nicht immer unbedingt berechnend und böse, aber gierig. Und sich nicht immer darüber klar seiend, was die Auswirkungen des eigenen Handelns, z.B. der Programmierung von Algorhythmen, in zweiter, dritter oder welcher Instanz auch immer, bewirken.

Wir brauchen globale Regelungen, checks & balances, um Schaden für die Gesellschaft und Natur zu verhindern.

Wie vorausschauend war Hans Küng mit seinem #Weltethos. Gemeinsame Werte als Basis für Gesellschaft und Wirtschaft. Wenn wir uns doch darauf einigen und dies nachhaltig umsetzen könnten. So viele Menschen und Organisationen beschäftigen sich mit anderen Formen der Wirtschaft und der Zusammenarbeit, mit einem humanen Menschenbild und dem Ideal eines guten Lebens.

Und trotzdem wiederholt sich die Geschichte mit ihren verheerenden Folgen: Die kostenlose Ausbeute von Land, Ressourcen, Erdöl, Kohle, Rohstoffe bis hin zu Wasser hat zerstörerische Folgen, die sich sehr plakativ in einem Satz darstellen lassen: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.

Wann werden Ressourcen endlich real berechnet und in die Verkaufspreise miteinkalkuliert? Nehmen wir das Beispiel eines Burgers [ii]: Er ist viel zu billig, die Folgekosten für die Umwelt, das Klima und die Gesundheit zahlen alle, auch diejenigen, die nicht in einer Fastfood-Kette essen. Und wir schaden uns dabei nachhaltig, denn vieles was zerstört ist, lässt sich nie wieder reparieren.

Doch zurück zur Digitalisierung. Wie können wir verhindern, dass das Internet zum Herrschaftsinstrument wird, das einigen wenigen die Macht gibt, Milliarden von Menschen auszubeuten?

Dieser Blog hier ist keine Buchrezension, deshalb werde ich dieses hier nicht zusammenfassen. Doch unbedingt zum Lesen empfehlen, denn man gewinnt ein Verständnis für die Komplexität der Digitalisierung und Jaron Lanier zeigt auch Perspektiven auf. Einen anspruchsvollen Schnelleinstieg gibt’s hier auf in diesem Vortrag auf YouTube. [iii]

Meine Erkenntnis wurde nach dem Lesen des Buchs bestätigt: Kritisch hinterfragen und nicht überall mitmachen. Und mich dort engagieren, wo es den Menschen und der Natur dient. Beim Händler vor Ort einkaufen oder beim Hersteller selbst. Unterstützen von Social Impacts[iv], Offenen Werkstätten[v], gemeinwohl-orientierten Unternehmen[vi] und Organisationen.

Meine Privatsphäre kann ich im Internet meiner Einschätzung nach nicht mehr schützen. Das ist äußerst bedenklich, denn ich weiß ja nicht, wer welche Rückschlüsse aus meinen Informationen und Meinungen zieht. In einem Rechtsstaat fühle ich mich einigermaßen sicher, was aber wenn das politische System kippt?

Wir brauchen ein globales Werte- und Rechtssystem, aber in Zeiten von BREXIT, Verleugnung des Klimawandels und Nationalismus rückt das in weite Ferne.

Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Schließen möchte ich mit einem Zitat von Martin Luther: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute ein Apfelbäumchen pflanzen“. Denn die Zukunft gehört den Optimisten, aber nur dann, wenn sie sich organisieren, verbünden und aktiv ein gutes Leben für Alle gestalten.

 

Quellen und weiterführende Links

[i] Jaron Lanier: Wem gehört die Zukunft http://www.hoffmann-und-campe.de/buch-info/wem-gehoert-die-zukunft-buch-7061/

[ii] Das kostet ein Cheeseburger wirklich: http://www.wiwo.de/technologie/green/living/ernaehrung-das-kostet-ein-cheeseburger-wirklich/13549790.html

[iii] Jaron Lanier bei Microsoft Research: Who owns the future https://www.youtube.com/watch?v=-B1hOBOTMSs&list=FL9R23IVF9X1HyaMvmlfIkag&t=1696s&index=1

[iv] Social Impact: http://socialimpact.eu/

Beispiel: wizemann space Stuttgart http://wizemann.space/

[v] Verbund offener Werkstätten https://www.offene-werkstaetten.org/

Beispiel: Hobbyhimmel Stuttgart http://hobbyhimmel.de/

[vi] Gemeinwohl-Ökonomie: https://www.ecogood.org/de/

Einstieg

Es war eine interessante Runde, die Teilnehmer auf dem Podium als auch die vielen aktiven Mitwirkenden aus dem Publikum.  Denn es sollte keine Frontalbeschallung werden, die Zuhörer wurden alle eingeladen, sich aktiv am Gespräch zu beteiligen und das haben sie von Anfang an getan. So wurde der Abend eine lebendige Diskussion auf Augenhöhe.

Markus Fink, Leiter der Volkshochschule begrüßte die Gäste, stellte die Teilnehmer vor und stimmte ins Thema ein.

Zur Eröffnung der Diskussion gab die Moderatorin Ulrike Stegmaier einen Input über die Treiber der Veränderungen Globalisierung und Digitalisierung. Sie berichtete über Bhutan, einen Staat im Himalaya, der seit einiger Zeit bei seinen BürgerInnen durch persönliche Umfragen ein sogenanntes „Bruttonationalglück“ ermittelt.  Warum ist unsere westliche Welt ausschließlich auf Profit und Wachstum programmiert? Sind das vielleicht mit die Ursachen von Umweltzerstörung, Klimawandel und Handelskriegen?

Oliver Viest (em-faktor) und Markus Besch (next-dbi und wizemann space) als Vertreter der Wirtschaft erzählten von Ihren Erfahrungen, ihre Unternehmen nicht nur rein profit-orientiert zu steuern, sondern den Gemeinwohl-Aspekt in ihre Strategie mit einzubinden.  Es geht und zwar sehr gut und erfolgreich! Und es macht zufrieden.

Claus Dierksmeier als Vertreter der Wissenschaft kommentierte diese Erfahrungen und gab der Diskussion eine weitere Dimension: Verantwortung übernehmen für ethisches Wirtschaften bedarf der aktiven Gestaltung durch die BürgerInnen. Freiheit und Demokratie sind neben Recht auch Pflicht.

Auch die Politik war auf dem Podium vertreten: MdB Gerhard Schick und MdL Markus Rösler. Hier war der Schwerpunkt die Rahmenbedingungen, die die Politik gestalten kann.  So ist zum Beispiel im Koalitionsvertag des Landes BaWü die Gemeinwohl-Ökonomie verankert.

Viele Kommentare und Fragen kamen aus dem Publikum und wurden diskutiert:

  • Die Lebens- und Arbeitswelt verändert sich massiv, was sind die Ursachen dafür?
  • Was bedeutet es wirklich, in deiner digitalisierten Welt zu leben und zu arbeiten?
  • Was läuft jetzt gerade falsch? Das Portemonnaie scheint jedem näher als die Moral.
  • Freiheit als Leitwert, der von uns Bürgern Verantwortung verlangt. Wir brauchen BürgerInnen die sich einmischen, Verantwortung übernehmen und Engagement zeigen.
  • In welcher Gesellschaft wollen wir leben, was ist uns als Gesellschaft wichtig?
  • Wir erleben die Politik als erschreckend einfallslos, die Bürokratie nimmt immer mehr zu.
  • Zu Realisierung staatlicher Maßnahmen für eine gerechtere Wirtschaft bedarf es dringend der gesellschaftlichen Mobilisierung.

Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der Diskussion, ein umfangreicher Bericht dazu ist in Arbeit. Wir halten Sie auf dem Laufenden! Und wir Grüne in Gerlingen sind immer offen für Ihre Meinung, kommen Sie einfach auf uns zu.

Es war ganz fantastisch, der Austausch, die Themen, die Beiträge, die Teilnehmer. Zum Dank gab‘s für jeden Podiumsgast eine CD der Fantastischen4, eine kleine gelungene Überraschung.

Ein besonderer Dank hier noch an Marion Glatthorn von der Buchhandlung ONE. Da fast alle Podiumsgäste selbst Autoren sind, war der Büchertisch reich bestückt! Und ein Danke an die Initiative Gemeinwohl-Ökonomie, die auch mit einem Infostand vertreten war.

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Martin Langlinderer hatte vor fast 4 Jahren die Idee, eine Offene Werkstatt zu gründen: einen Treffpunkt an dem Menschen ihre Hobbys pflegen, ihr Wissen teilen und ihrer Kreativität freien Lauf lassen können. Ein Ort auch der Nachhaltigkeit: Es braucht nicht jeder teure Werkzeuge, sie können hier gemeinschaftlich genutzt werden.

Offene Werkstätten stehen allen zur Verfügung, die handwerklich oder künstlerisch in Eigenarbeit aktiv sein wollen – Junge und Alte, Frauen und Männer, Laien und (Halb-) Profis, Künstler und Bastler, Maker und Tüftler, Einzelne und Gruppen sind willkommen.

Die Idee wurde Realität und nun gibt es den Hobbyhimmel schon fast 2 Jahre. Viele MitmacherInnen treffen sich hier, organisieren Workshops, es wird repariert, geschraubt, up-, down- und recyclet, geschweißt und Fahrräder gewartet. Regelmäßig findet hier das Repair Café statt, und auch Firmen nutzen den Hobbyhimmel für Workshops und als Werkstatt. Neue Trends und Ideen werden hier entwickelt wie z.B. Urban Gardening.

Nun gibt’s den Hobbyhimmel schon fast 2 Jahre und Martin hat bisher als Initiator vieles alleine getragen. Doch seine Idee ist noch nicht in vollem Umfang umgesetzt: Er hat die Vision einer sich selbst organisierten Offenen Werkstatt. Die MitmacherInnen übernehmen gemeinsam die Verantwortung für den Hobbyhimmel. Dazu bedarf es eines rechtlichen Rahmens nach außen (Verein, gGmbH, Genossenschaft…) zur Deckung der formalen Verantwortung. Aber viel wichtiger ist die interne Organisation: Wie funktioniert der Hobbyhimmel weiter, auch ohne eine „Leitung“.

Es gibt gute Möglichkeiten, sie erfordern Engagement und Verantwortung. Eine „Teal Organization“ nach dem Konzept von Frederic Laloux ist ein erprobtes und erfolgreiches Zusammenarbeitsmodell. Und zwar ganz anders als das was wir heute als Arbeit kennen: kleine selbstorganisierte Teams arbeiten zusammen und treffen ihre Entscheidungen. Diese Teams sind vernetzt mit allen anderen und bilden eine Organisation mit einem gemeinsamen Ziel und Sinn. Keine hierarchische Macht hat hier das Sagen, sondern jeder einzelne bringt sich ein und übernimmt dafür Verantwortung.  Und das ist der große Unterschied: die Menschen werden wieder miteinbezogen in den gesamten Prozess.

Basisdemokratie wird in diesem Zusammenhang oft erwähnt. Aber das alleine ist es nicht. Denn man stimmt nicht nur für oder gegen einen Vorschlag, den irgendjemand macht. Sondern jeder hat das Recht und die Pflicht, aktiv mit zu gestalten.

Nun hat Martin seine Idee, wie sich der Hobbyhimmel zukünftig aufstellen könnte, seinen MitmacherInnen präsentiert. Er selbst wird wie geplant im Oktober seine alleinige Verantwortung an die Gemeinschaft übergeben. Er schlägt vor, themenbezogene Teams zu bilden, die in ihrer Ganzheit alle heutigen Themen und Aufgaben übernehmen. Die MitmacherInnen können sich selbst ihrem Wunschteam zuordnen.

Die MitmacherInnen hatten viele Fragen:

  • Wie lange geht dieses Experiment?
  • Wer entscheidet wann sich die Teams treffen?
  • Wer sagt den Teams was sie zu tun haben?
  • Was passiert, wenn Zusagen nicht eingehalten werden?
  • Wie treffen Teams ihre Entscheidungen?

Das Experiment geht so lange, wie der Hobbyhimmel besteht. Denn der heutige alleinige Verantwortliche gibt seine ab an die Gemeinschaft. Und diese Gemeinschaft kann jetzt frei gestalten: wann sie sich treffen wollen, was sie tun möchten oder sollten und wie sie mit Unzuverlässigkeit umgehen.

Das Thema Entscheidungen ist ein sehr wichtiges. Denn wir sind es ja nicht mehr gewohnt, Entscheidungen zu treffen: In der Arbeitswelt macht das der Vorgesetzte, in der Gesellschaft die Politik. Wir müssen das wieder lernen und dazu gibt es auch unterschiedliche Möglichkeiten: der Mehrheitsbeschluss, oder das systemische Konsensieren. Bevor Entscheidungen fallen, empfiehlt es sich, möglichst viele Meinungen und Fachwissen einzuholen. Nur so kann eine für alle Beteiligten gute Entscheidung getroffen werden. Nicht der Höhere / Stärkere entscheidet, sondern die Betroffenen und Beteiligten.

Die MitmacherInnen waren teils skeptisch und teils unschlüssig. Klar, bisher hat Martin sich um alles gekümmert, jetzt steht eine Veränderung an. Viele haben sich schnell ein Flipchart Papier geschnappt, aufgehängt und den Namen ihres Teams draufgeschrieben. Hier kann sich nun jeder eintragen, der mitorganisieren möchte. In vier Wochen gibt’s das nächste Meeting: Dort werden die ersten Aktivitäten geteilt. Ich bin neugierig.

Der Hobbyhimmel ist offen für jedermann und jederzeit. Wenn Du mitmachen möchtest, kannst Du das jederzeit tun. Ob als Werkstattnutzer oder auch als Mitmacher in der Orga. Es wird spannend!

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Selbstorganisation

Das Wort ist in aller Munde, wir sollen uns alle selbst organisieren, um schneller, besser und innovativer zu werden. Die Arbeit soll Spaß machen, Hierarchien abgebaut und (agile) Teams auf Augenhöhe und in Zusammenarbeit mit dem Kunden den Wandel hin zu Spitzenleistung gestalten.

So weit so gut. Was bedeutet denn eigentlich „Selbstorganisation“? Ein Aspekt ist die Entscheidungskultur: das Team entscheidet über Sachverhalte, die klassisch der Hierarchie vorbehalten sind. Dies war auch ein Thema mit dem wir uns im Rahmen einer Abteilungsklausur auseinandergesetzt haben:

Zum Beispiel die Stellenbesetzung: Darf das Team (mit)entscheiden, wer zu welchem Team zugeordnet wird? Oder darf ich als Mitarbeiter mich selbst einem Team zur Mitarbeit anbieten? Kann dieses selbst entscheiden, ob die Zusammenarbeit dem Auftrag zu Gute kommt?

Oder das Team Budget: dürfen wir über dieses frei verfügen, ohne zusätzliches Einholen von Genehmigungen? Welche Regeln gelten für die Entscheidungsfindung im Team als auch mit der hierfür verantwortlichen Führungskraft?

Dazu bedarf es klarer Vereinbarungen. Und Vertrauen. Und natürlich auch eines Veränderungsprozesses von der klassischen Vorgehensweise hin zur Selbstorganisation.

Wie kommen wir dorthin?

Ich habe hier ein gutes Beispiel, schaut Euch diese Doku auf YouTube an: https://youtu.be/YDXwLpkpJPA

2011 übernahm Stephan Heiler die Geschäftsführung des vom Vater aufgebauten Betriebs. In einem grundlegenden Veränderungsprozess baute er Schritt für Schritt gewachsene Hierarchien ab. Heute sind alle Mitarbeiter eingeladen, die Firma gemeinsam aktiv zu gestalten und daran zu wachsen. Der Prozess war und ist nicht einfach – alle Beteiligten müssen sich selbst reflektieren, Selbstverständlichkeiten hinterfragen und sich auf Neues einlassen. Und manch einer ist den Weg nicht mitgegangen.

 

Ob das in einem Konzern so auch möglich ist? Auch ein Konzern besteht aus kleinen überschaubaren Einheiten und viele Abteilungen haben Freiheiten, sich selbst zu organisieren. Dort wo es zu Reibung und Schwierigkeiten kommt ist der Konsens gefragt, die kritische Diskussion und Entscheidungsfindung im Sinne der guten nachhaltigen unternehmerischen Lösung, dem Business Value. Wir müssen nur mal anfangen und Muster brechen.

Ich bin gespannt auf Eure Gedanken!

„Selbstorganisation im Mittelstand – von einer patriarchalischen Firma zu Unternehmensdemokratie“ entstand während des „EnjoyWorkCamp 2015“ an dem ich neben Stephan Heiler und Gebhard Borck viele interessante Menschen kennengelernt habe: http://www.arbeitswelten-lebenswelten.de/enjoyworkcamps/dokumentation/enjoyworkcamp-2015-Stuttgart

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Willkommenskultur

Ich komme gerade von einem Besuch bei einer syrischen Familie. Eine arabisch sprechende Dolmetscherin hat mich unterstützt und so konnten wir uns austauschen. Willkommenskultur, das heißt für mich Begegnung im Umfeld der Gäste. Wir haben uns über unterschiedliches Verhalten im Alltag unterhalten. Wir geben zur Begrüßung die Hand, in der arabischen Kultur ist das nicht üblich. Deshalb muss sich keiner respektlos behandelt fühlen. Wenn man weiß wie der andere tickt, ist vieles einfacher. Wir brauchen Wissen und Begegnung. Dann gelingt Integration (=Erneuerung!) und wir begegnen uns auf Augenhöhe.

Integration bedeutet Teilhabe sowie eine Balance von Geben und Nehmen. Voraussetzung dafür ist neben der Sprache die Teilnahme am Arbeitsleben und wirtschaftliche Eigenständigkeit. Integration ist ein beidseitiger Prozess, zu dem die Flüchtlinge etwas leisten müssen wie auch die aufnehmende Gesellschaft und ihre Institutionen.

Die Flüchtlinge sind hier in einer europäischen Kultur angekommen, in der fast alles ganz anders ist als sie es kennen. Und wir begegnen Menschen, die sich anders verhalten, als es uns vertraut ist.

In der Interkulturalität gibt es kein „gut“ oder „schlecht“, sondern ein „anders“. Und dieses „Andere“ gilt es kennenzulernen, wenn möglich ohne Bewertung. Um interkulturelle Kompetenz zu erlangen, müssen wir uns weiterbilden: Unterstützung auf diesem Weg bieten interkulturelle Seminare, Vorträge und Erfahrungsaustausch. Das liegt auch in der Eigenverantwortung jedes Einzelnen.

Die Aufgaben einer kommunalen Willkommenskultur sind die Bündelung der Angebote und Aktivitäten, Entwicklung einer Strategie, Kommunikation und Weiterbildung. Dadurch ergeben sich die interkulturelle Öffnung von Organisationen und Institutionen sowie die Förderung von interkulturellen Kompetenzen der Mitglieder und Bürger.

Wir brauchen neben des ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements eine kommunale Willkommenskultur, die über Administration und operatives Geschäft hinausgeht.

BarCampStuttgart

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Eine Welle der Hilfsbereitschaft schwappt durch unser Land: Die Bereitschaft der Bürger, die Kommunen bei dieser Aufgabe zu unterstützen ist bemerkenswert.
Im BarCamp Stuttgart war dies auch Thema mehrerer Sessions: Was brauchen Ehrenamtliche zur Unterstützung? Was machen andere Kommunen? Was gibt es schon und muss nicht nochmal erfunden werden? Was sind Barrieren und gibt’s vielleicht schon Lösungsmöglichkeiten dafür? Fragen über Fragen, die im für BarCamps typischen Stil auf Augenhöhe diskutiert wurden:

  • Auf 1000 Deutsche kommen 9 Flüchtlinge – warum soll das nicht zu bewältigen sein?
  • Status „Duldung“ = geduldet, aber nicht willkommen?
  • Kriminell sind nicht die Flüchtlinge, sondern die Bedingungen ihrer Flucht. Sie fliehen vor islamischem Terror und Diktatur (vor dem wir uns ja auch fürchten).
  • Staats- und Regierungschefs sind (wieder) nicht in der Lage, angemessene und würdige Rahmenbedingungen zu schaffen.
    Ist Europa eine Werte-Union oder eine Gewinn-Union?
  • Wir reden immer darüber, was wir den Flüchtlingen geben, aber wissen wir eigentlich was sie brauchen?
  • Wahren wir die Menschenwürde, wenn wir Besitz von Smartphones in Frage stellen und andere Verhaltensweisen verurteilen?

Betreuung von Flüchtlingen durch Ehrenamt und Kommune:

  • Strukturen schaffen für selbstorganisiertes bürgerschaftliches Engagement
  • Wer schützt die Ehrenamtlichen (EA) vor Überlastung und Erschöpfung?
  • Wie erreichen wir Menschen, die heute noch nicht sichtbar sind?
  • Kinder sind oft sehr gut informiert, auch über Sendungen wie Logo TV. Kinder kennen keine Vorurteile. Und Kinder möchten sich auch gerne einbringen – wie wird dies in den Schulen berücksichtigt?
  • Wer schult die Ehrenamtlichen? Ob dieses Angebot des BAMF aus dem Jahr 2011 noch aktuell ist? http://www.bamf.de/DE/Willkommen/Integrationsprojekte/Engagement/engagement-node.html
  • Wer sortiert ggfs. „unehrenhaftes“ Engagement aus?
  • Welche Unterstützung bieten die Kommunen bei hoher psychischer und/oder körperlicher Belastung (Supervision)?

Zielgruppenspezifische Weiterbildung aller Beteiligten (Bürger und Angestellte der Kommunen):
LehrerInnen: Umgang mit traumatisierten Kindern, Wie gehe ich mit kulturellen Unterschieden um, Wie vermitteln wir unsere Werte, ohne die anderen abzuwerten…

Vorgehensweise:
Es waren vielfältige und ernsthafte Diskussionen – die Erkenntnis war eindeutig: Wir befinden uns in einem Veränderungsprozess, der auch entsprechender schrittweise Gestaltung bedarf:

1. Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen durch Bewusstmachen der anstehenden Veränderung
2. Eine Koalition aufbauen: Verantwortliche Personen in den Kommunen (Einrichtung einer Stabstelle oder Stellenbesetzung durch Referenten für Integration…) und Bürgerschaft
3. Vision und Strategie entwickeln (ein gemeinsames Bild der Zukunft)
4. Die Vision des Wandels kommunizieren
5. Mitarbeiter auf breiter Basis befähigen

Erst wenn diese Vorbereitungen getroffen sind, sollte es losgehen mit der praktischen Arbeit. Wir sind aber schon mittendrin – Es besteht dringend Handlungsbedarf von Kommunen, Landes- und Bundesregierung: Damit das ehrenamtliche Engagement auch nachhaltig und langfristig funktioniert.

Ergänzende Links:
Handbuch Betreuung: http://www.fluechtlingshilfe-bw.de/fileadmin/_flh/Praxistipps/Handbuch_Fluechtlingshilfe_web.pdf
Freies WLAN für die Region: www.freifunk-stuttgart.de
Blogger für Flüchtlinge: http://www.blogger-fuer-fluechtlinge.de/
Sahana ist eine integrierte Sammlung von kollaborativen, internetbasierten Softwarelösungen, die im regionalen und oder globalen Katastrophenfall, besonders danach, Anwendung finden können. Es handelt sich um freie Open-Source-Software (FOSS): http://sahanafoundation.org/

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Menschen sind keine Geldbeutel – Gedanken zum Gemeinwohl
war das Thema auf einer Podiumsdiskussion in Tübingen, zu der Christian Kühn (MdB) eingeladen hat. Gäste auf dem Podium waren Dr. Gerhard Schick (MdB und Autor des Buches „Machtwirtschaft“), Prof. Dr. Claus Dierksmeier, Institutsleiter des Welt-Ethos-Instituts Tübingen, sowie Helmut Gottschalk: Vorstand Volksbank Herrenberg-Nagold.
Zweck und Ziel der Wirtschaft sind klar: sie soll dem Wohl der Gesellschaft, dem Gemeinwohl, dienen. In unserem Grundgesetz Artikel 14 Absatz 2 steht: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Und in der Bayrischen Verfassung: „Alle wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl.“

Angesichts der aktuellen Krisen müssen wir uns jedoch fragen, ob das derzeitige Wirtschaftssystem dieser Anforderung noch gerecht wird. Immer mehr steht deshalb die Forderung im Raum, wirtschaftliches Handeln von einer einseitigen Fixierung auf den Finanzgewinn zu lösen und mit gemeinwohlstiftenden Werten zu komplettieren. Aber wie kann dies gelingen und welche Bedingungen sind hierfür notwendig?
Gemeinwohl wird verstanden als Gegenbegriff zu bloßen Einzel- oder Gruppeninteressen innerhalb einer Gemeinschaft mit folgenden Eigenschaften: Menschenwürde, Solidarität, Ökologische Nachhaltigkeit, Soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung und Transparenz.
Von Sokrates bis Adam Smith war das wirtschaften gemeinwohlorientiert. Erst die Industrialisierung im 19. Jahrhundert hat das anglo-amerikanische Wirtschaftsdenken mit einer rein ökonomischen Ausrichtung etabliert. Im Mai 1861 gab es erste einheitliche gesetzliche Regelungen im Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch, das in Art. 31 ADHGB vom Kaufmann die Aufstellung einer Inventur und Bilanz forderte. Unser Wirtschaftssystem, der Kapitalismus mit dem einzigen Ziel der Gewinnmehrung, ist also sehr jung. Jetzt ist es an der Zeit, nicht nur eine Finanzbilanz zu erstellen, sondern auch eine Gemeinwohlbilanz. Damit können Unternehmen ihre Aktivitäten sichtbar machen und gemessen werden an nachhaltigen Aspekten wie Ökologie und Soziales.
Diese Woche wurde eine Gemeinwohl-Ökonomie Stellungnahme zur Weiterentwicklung von CSR-Instrumenten und Förderung ethischen Wirtschaftens mit klarer Mehrheit vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss angenommen. Ein wichtiger Schritt!

Und es ist eine Schieflage entstanden: Konzerne wie z.B. Amazon haben mehr Rechte als kleine Unternehmen wie ein Buchhändler. Durch Komplexität verstehen wir Kunden nicht mehr die Produkte. Sind diese schädlich und bringen Sie überhaupt einen Nutzen? Gerade die Produkte des Finanzmarktes bringen meist nur den Verkäufern einen Nutzen!
Wie korrigieren wir diese Fehlentwicklungen?
Unserer Gesellschaft hat ein Riesen Potential an anständigen und klugen Menschen – wichtig ist die gesellschaftliche Debatte: Was sind Gemeinwohl-Aspekte, was verstehen wir unter Marktwirtschaft? Wie kommen wir als Gesellschaft auf einen gemeinsamen Nenner, bei Wahrung der größtmöglichen Freiheit?
Die Universitäten sind gefragt: Es gibt einen großen Bruch zwischen Forschung (theoretisch weit voraus) und Lehre (festhalten am Standard). In den Schulen wird nur das gängige Wirtschaftsmodell gelehrt, wenig über anderer Modelle wie z.B. Genossenschaften. Also auch im Bildungswesen eine einseitige Information.
Die öffentliche Hand, insbesondere die Kommunen dürfen nicht nach der Finanzlogik agieren. Die Vergangenheit zeigt: man hat keine guten Erfahrungen mit Privatisierung von Wasser und Energie gemacht, vielerorts wird das wieder zurück gekauft. Und das ist wieder ein Argument gegen TTIP, welches genau solche Korrekturen verhindert. TTIP kann man als bisher größten neoliberalen Angriff auf die Demokratie und das Gemeinwohl verstehen.
Wir befinden uns in einem Umbruch: Es geht um nichts weniger als unsere zukünftigen Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Als Organisationsentwicklerin beschäftigt mich, wie unsere Unternehmen aufgestellt sein müssen, um auch in Zukunft noch gute Geschäfte machen zu können. Das betrifft die Strategie (wo wollen wir hin), die Produkte (was stellen wir her) und die Organisation (wie gestalten wir Arbeit).

Klassisch heute ist ein hierarchisches Organigramm von oben nach unten, gut darzustellen in „Kästchen“:

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In der Hierarchie wird getrennt

  1. die Führung (Denken u. Entscheiden) von der Ausführung (Arbeiten). Dieses Modell (Taylorismus, Fordismus) hat seinen Ursprung in der industrialisierten Fertigung Anfang des 20. Jhds. Mit Einführung der Fließbandarbeit mussten Aufgaben geteilt und Entscheidungen schneller getroffen werden. Das ist grundsätzlich nicht falsch, man hat nur den Faktor Mensch vergessen. Es hat sich eine umfangreiche Führungsstruktur entwickelt, gleichzeitig wird operative Arbeit als geringwertig betrachtet. Karriere heute bedeutet, als Führungskraft Mitarbeiter zu haben. Die Führungskraft trifft Entscheidungen, bewertet und beurteilt und der Mitarbeiter hat dies auszuführen. Dieses Modell ist nicht mehr zeitgemäß – weder aus unternehmerischer noch aus menschlicher Sicht
  1. in Unternehmens-/Verantwortungsbereiche. Ohne Schnittstellen und bereichsübergreifende Kommunikation weiß z.B. die Fertigung nicht unbedingt, was gerade entwickelt wird.

Die Auswirkungen sind heute deutlich spürbar: Unternehmen sind träge in Entscheidungen, prozessgesteuert und Kommunikation findet oft nicht mehr statt. Dieses Modell hat nicht nur Schattenseiten und hatte in der Vergangenheit auch seine Berechtigung – aber ist es noch zukunftsfähig? Wie entwickeln wir heute neue Produkte, die wir in Zukunft verkaufen und uns damit unsere Existenz sichern können? Wie werden wir den Ansprüchen unserer Kunden gerecht? Wie bleiben wir ein für Mitarbeiter attraktives Unternehmen? Wie stellen wir Nachhaltigkeit sicher – alle Ressourcen sind schließlich endlich.

Aber warum funktioniert eigentlich dieses alte System heute nicht mehr?

Die Welt befindet sich in einem Veränderungsprozess. Das VUCA-Modell beschreibt die Auswirkungen auf unsere heutige Arbeits- und Lebenswelt sehr treffend.

Die technische Entwicklung, das Internet und auch der Wohlstand hat unsere Arbeits- und Lebenswelt grundsätzlich verändert. Wir haben Zugang zu Informationen, die früher nur wenigen vorbehalten war (Transparenz). Dadurch haben wir mehr Wissen und möchten mehr mitgestalten (Demokratisierung). Die Ansprüche an Produkte und Leistungen sind gewachsen, wir müssen viel mehr bieten, um am Markt zu bestehen. Und alles dreht sich immer schneller – was heute für gut und sinnvoll erachtet wird, muss es morgen noch lange nicht sein.

Das ist die Herausforderung an Unternehmen: in diesem volatilen, komplexen und sich ständig veränderten Umfeld zu bestehen. Die Herausforderung an die Politik ist es, einen Rahmen für eine menschlich lebenswerte Zukunft zu gestalten. Und die Herausforderung an die Gesellschaft, also an uns Büger_innen: diesen Wandel zu begleiten und engagiert zu gestalten.

Was muss sich ändern?

  • Unser Verhalten –hin zu Entscheidungen nach anderen Kriterien – nicht mehr ausschließlich der monetäre Preis ist maßgeblich. Welche Wirkung hat der Kauf eines Produktes auf Menschen (z.B. Arbeitsbedingungen) und Natur? Die Wirtschaft soll dem Menschen dienen und nicht umgekehrt.
  • Unsere Werte – die Haltung, die uns motiviert und antreibt:

Hin zu: Kooperation – Solidarität – ökologische Nachhaltigkeit – soziale Gerechtigkeit – Demokratische Mitbestimmung – Transparenz.

  • Organisation unserer Arbeit – hin zum agilen Unternehmen

Hin zu: Flexible Hierarchien – Kulturwandel: agiler MindsetSinnkopplung – Kooperation – Transparenz – Exzellenz – Verantwortungsnahme – Freiräume

Wie könnte so ein Unternehmen aufgestellt sein? Nils Pflaegling hat das Pfirsich-oder auch Beta-Organisation entwickelt: https://www.youtube.com/watch?v=TBLyB6eWgg4

Zukunftsfähigkeit – das bedeutet ein langer Weg und harte Arbeit hin zu Arbeits- und Lebenswelten, die auch für möglichst viele lebenswert sind. Zukunftsfähigkeit bedeutet Vielfalt und parallele Existenz verschiedener Modelle. Zukunftsfähigkeit bedeutet Weiterentwicklung.